Matheprojekt: Würfel färben 4*6

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Reaktionen der Schülerinnen im Jahresbericht 2012 der Städtischen Realschule für Mädchen Rosenheim
Phase 1: Erst selber probieren, dann über Tricks staunen!
Phase 2: Alle Würfeltypen bestimmen!
Phase 3: Das fertige Baumdiagramm mit allen 3D-Würfeln aus der Gallerie!

Diese Beschreibung dokumentiert ein "Mathe-Camp" in den bayerischen Bergen, in dem 15 Schülerinnen auf einer Selbstversorgerhütte mit Holzstöckchen und Postern in Gruppenarbeit sich durch das Problem selbst durchgebissen haben. Es geht auch anders, aber so geht's auch. Am Ende der Woche hatten wir Prof. Dr. Steinlein auf die Hütte eingeladen und ihm mit Gruppenreferaten die Ergebnisse der Schülerinnen vorgetragen. Er war sichtlich gerührt. An einigen Stellen ist den Schülern sogar noch eine einfachere Argumentiation eingefallen als im Orginal.

Die Reaktionen der Schülerinnen damals (Jahresbericht MRS 2012) rechts in Abbildung.

Mein Erlebnis damals hatte ich 2012 in folgendem Text zusammengefasst: "Beim jüngsten Mathe-Camp, war ein ganz besonderes Erlebnis neu für mich: Wir "produzierten" zunächst viele gebastelte Würfel und zu keinem hatten wir einen besonderen Bezug. Alle waren irgendwie gleich. Nach den drei Tagen intensiver Beschäftigung bewegten sich die Schülerinnen so selbstverständlich in den verschiedenen Würfeltypen hin und her, wie ich es vorher nicht für möglich gehalten hatte. Jeder war eigen und etwas besonderes. Ich hatte viele Assoziationen: Ein Urlaub in Japan lässt einen zunächst alle Japaner gleich aussehen! Bewegt man sich einige Wochen im Land, fängt man an, auch fremde Japaner (etwa Passanten) in ihrer Eigenheit wahrzunehmen. Oder eine Gruppe fremder Kollegen vor und nach einer intensiven Fortbildungswoche!

Aber nicht die Würfel, die Japaner, die Kollegen haben sich verändert, sondern mein eigener Blick! Die Wesenswerdung der Welt findet in meinem eigenen Kopf statt. Die Gestaltwerdung der Welt ist meine eigene Selbstveränderungsleistung!

Dieses Erlebnis lässt sich im Übrigen nicht beschleunigen! Natürlich kommt man durch Hilfestellungen viel schneller (als drei Tage) zum Ergebnis 39 (Durch vorbereitete Arbeitsblätter, durch vorgegebene Verfahren, ...)! Aber was ist dies wert? Ist es nicht sch...-egal ob es 39, 486 oder 3265 solche Würfel gibt?! Die Herausforderung, die Anzahl zu bestimmen, ist nur der Anlass, sich in die Vielfalt mit ihren Eigenheiten einzudenken, diese Wesenswerdung zu erleben und die dabei auftretenden Schwierigkeiten zu meistern.

So wie die Anzahl der Schäfchen, um die sich ein liebender Schäfer kümmert (fast) bedeutungslos ist. Jedes Einzelne ist wichtig! Aber das Durchzählen abends ist für ihn das rituelle Hilfsmittel, das ihm die Sicherheit gibt, dass er sie alle beieinander hat und keines übersehen hat!

Phase 1 (Probieren und Ergebnisse ordnen)

>>> Zur detaillierten Beschreibung der Probierphase siehe Würfel färben 6*4, Phase 1

Eine ausführliche (induktiv inszenierte) Probierphase ist aus verschiedenen Gründen wichtig:

  1. Das Haptische und Spielerische aktiviert alle und behebt Blockaden gegenüber der abstrakten Mathematik und signalisiert Unabhängigkeit von Wissensrückständen.
  2. Jeder kann Erfolgserlebnisse haben (Der Schwierigkeitsgrad etwas durch Probieren zu finden, ist grade recht zwischen läppisch und frustrierend schwer).
  3. Man bekommt allmählich ein Gefühl für das Ausmaß der Schwierigkeiten, das Ganze zu überblicken.
  4. Erst der hiermit entstehende emotionale Bezug schafft die Motivation für die schwierigeren Phasen und schafft die Grundlage für das Erlebnis des Staunens über die Mächtigkeit der folgenden Tricks.
  5. Eigene Erfahrungen können formuliert, kumuliert (vertikal in Verbindung gebracht) und ausgetauscht (horizontal in Verbindung gebracht) werden. Ein eigenes Forschungserlebnis wird insziniert.

Phase 2: (Welche Typen sind möglich? - Lösung: Prof. Steinlein)

>>> Zur detaillierten Beschreibung der Phase 2 Würfel färben 6*4, Phase 2

Am Ende der Probierphase hängen viele selbst entdeckte Lemmata an der Wand:

  1. Die Schüler wissen, dass jede Farbe 8 mal vorkommen muss.
  2. Die Schüler wissen, dass es nur 6 verschiedene Seitenwände gibt. s.u.
  3. Die Schüler wissen daher auch, dass die 6 Seitenwände nur so kombiniert werden können, dass das mit den 8 Farben für jede Farbe aufgeht.
  4. Die Einsicht in die Notwendigkeit von Invarianten gegenüber Drehungen hat sich gefestigt.
Ulli.png Valli.png Willi.png Anna.png Bella.png Clara.png
Anna Bella Clara Ulli Valli Willi

Man kann nun tatsächlich alle Würfeltypen elementar herleiten oder Prof. Steinleins Gleichungssystem verwenden. Auch beides nebeneinander ist beeindruckend. Ab da kann man arbeitsteilig in Gruppen die Würfelrealisierungen der einzelnen Typen bestimmen.

Phase 3 (arbeitsteilig alle Würfel eines Typs bestimmen)

>>> Zur detaillierten Beschreibung der Gruppenarbeitsphase Würfel färben 6*4, Phase 3

Aus Phase 2 ergeben sich einige Arbeitsgruppen, die unabhängig voneinander arbeiten können. Der Umfang der Arbeit jeder Gruppe ist noch nicht absehbar. Es wird sich herausstellen, dass Gruppe 10 eine sehr umfangreiche Arbeit hat und Unterstützung von Gruppen braucht, die schnell fertig sind.

Das folgende Baumdiagramm entsteht in irgendeiner Form:

  • Würfel mit nur Mädchen
Ulli.png Valli.png Willi.png Anna.png Bella.png Clara.png Lösungen
Fall 1: 2 2 2 0 0 0 2 Lösungen
  • Würfel mit Mädchen und Buben
Ulli.png Valli.png Willi.png Anna.png Bella.png Clara.png Lösungen
Fall 4: 2 1 1 2 0 0 0 Lösungen
Fall 6: 2 0 0 4 0 0 6 Lösungen
Fall 7: 1 1 1 1 1 1 4 Lösungen
Fall 8: 1 1 0 2 2 0 6 Lösungen
Fall 9: 1 0 0 3 1 1 0 Lösungen
  • Würfel mit nur Buben (Männergesangsverein)
Ulli.png Valli.png Willi.png Anna.png Bella.png Clara.png Lösungen
Fall 10: 0 0 0 2 2 2 21 Lösungen
  • Würfel mit nur Buben (Männergesangsverein) muss in Untertypen aufgeteilt werden. Nach der Sprachregelung der Kinder vom 3. MatheCamp wären dies:
    • Fall 10a: Die jeweils gleichen Männer sind ausschließlich gegenüber, (die voll-gegenüber-Würfel), 1 Lösung
    • Fall 10b: Die jeweils gleichen Männer sind ausschließlich nebeneinander, (die voll-daneben-Würfel),
      • Fall 10b1: Keine der Paare gleicher Männer sind als Schmetterlinge angeordnet, 2 Lösungen
      • Fall 10b2: Ein Paar gleicher Männer ist als Schmetterlinge angeordnet, 0 Lösungen
      • Fall 10b3: Zwei der Paare gleicher Männer sind als Schmetterlinge angeordnet, 6 Lösungen
      • Fall 10b4: Drei der Paare gleicher Männer sind als Schmetterlinge angeordnet, 0 Lösungen
    • Fall 10c: Zwei Paare gleicher Männer sind nebeneinander (bilden einen Ring), das dritte Männerpaar bildet auf diesem Ring den Deckel und den Boden, (die Dosen)
      • Fall 10c1: gerade Dosen, 6 Lösungen
      • Fall 10c2: gespiegelte Dosen, 6 Lösungen
      • Fall 10c3: gedrehte Dosen, 0 Lösungen

Insgesamt sind es also 39 Würfel ohne gleichfarbige Nachbarschaften!

Interessant ist, dass es zu einem Strickmuster (Bautyp) verschieden viele Varianten durch Spiegelung und Farben-Austauschen gibt. Der Grund liegt in der verschieden intensiven inneren Symmetrie eines einzelnen Würfels (Die Mathematiker sagen die Symmetriegruppe des Würfels). Je regelmäßiger ein Würfel ist, desto wahrscheinlicher ist, dass bei Spiegelung und Farben-Austauschen wieder der Gleiche entsteht.

  • z.B. Fall10c1: Da hat ja bei jedem Farben-Austauschen der Deckel eine andere Farbe. Da es drei Frabpermutationen gibt (welche?), gibt es also drei Farbvarianten des 10c1-Würfels. Das Zick-Zack-Muster (der gleichfarbigen Diagonale) am Dosenrand geht aber einmal bergauf (auch nach dem Top-Down-Drehen!) und wenn man den Würfel spiegelt, geht es bergab. Also sind ihre Spiegelbilder verschieden. Drum gibt es von den geraden Dosen 3*2=6!
  • z.B. Fall10b1: Da kommen alle Farbvarianten gleicher Anordnung im Würfel selbst vor. Daher bringt das Farben-Austauschen uns wieder zum selben Würfel zurück. Nur das Spiegeln macht aus dem bergauf einer gleichfarbigen Diagonale wieder ein bergab. Also nur 2 Varianten eines Strickmusters.
  • Am interessantesten ist die innere Symmetrie des Würfels 10a: Alle gleichen Männer sind gegenüber (und auch auf die gleiche Art gegenüber, nämlich gespiegelt) und kommen gleichhäufig vor. Daher kommt sowohl beim Farben-Austauschen als auch beim Spiegeln wieder derselbe Würfel raus. Im Übrigen ist es der einzige Würfel, der beim Spiegeln wieder derselbe wird. Daher ist dieser Würfel der Grund, warum eine ungerade Zahl als Gesamtergebnis herauskommt (Alle anderen kommen nämlich paarweise mit ihrem Spiegelbild vor).
  • ...


--Wolfganglentner 19:56, 5. Okt. 2012 (CEST)