Von Thomas und Benjamin: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Alfred wurde am 13. Dezember 1922''' in Rosenheim geboren. Er lernte das Schusterhandwerk, besuchte aber auch die Oberrealschule. Vor den Abschluss schob sich mit 17 Jahren der Einsatz an der Ostfront. Der Splitter einer Granate bei Woronesch zerfetzte seinen Oberschenkel. Auf der Bahre im Feldlazarett schrie er verzweifelt um seinen Fuß, als er bemerkte, dass die Ärzte die Amputation seines Beins vorbereiteten. Man hatte in dieser Lage keine Zeit für Verhandlungen. Die Ärzte wendeten sich dem nächsten Verwundeten zu. Alfred überlebte durch die Kälte des russischen Winters begünstigt mit beiden Beinen. Kampfunfähig wurde er kurz vor der Schlacht um Stalingrad mit einer der letzten Maschinen in die Heimat gebracht.
 
'''Alfred wurde am 13. Dezember 1922''' in Rosenheim geboren. Er lernte das Schusterhandwerk, besuchte aber auch die Oberrealschule. Vor den Abschluss schob sich mit 17 Jahren der Einsatz an der Ostfront. Der Splitter einer Granate bei Woronesch zerfetzte seinen Oberschenkel. Auf der Bahre im Feldlazarett schrie er verzweifelt um seinen Fuß, als er bemerkte, dass die Ärzte die Amputation seines Beins vorbereiteten. Man hatte in dieser Lage keine Zeit für Verhandlungen. Die Ärzte wendeten sich dem nächsten Verwundeten zu. Alfred überlebte durch die Kälte des russischen Winters begünstigt mit beiden Beinen. Kampfunfähig wurde er kurz vor der Schlacht um Stalingrad mit einer der letzten Maschinen in die Heimat gebracht.
  
Für den ersten Nachkriegswinter pachteten sein Freund und er die Zimmermannsalm auf dem Riesenplateau unterhalb der Hochries. Die Pacht bezahlte Alfred mit handgemachten Schuhen der elterlichen Schuhmacherei. Fast jedes Wochende ging es mit Fahrrad und zu Fuß mit Skiern und der Wochenendverpflegung im Rucksack von Rosenheim in einigen Stunden auf die Alm. Sie hatten ein Grammophon, aber keine Kaffeemühle. Daher ging es zum Mahlen eine halbe Stunde vor dem Frühstück im Tiefschnee auf die Gipfelhütte. Nach dem Rückweg hatten die Damenbesuche meist den Rest des Frühstücks vorbereitet. Einige Abfahrten ums Eck hatten trotzdem an einem schönen Tag ihren Platz.
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Für den ersten Nachkriegswinter pachteten sein Freund und er die Zimmermannsalm auf dem Riesenplateau unterhalb der Hochries. Die Pacht bezahlte Alfred mit handgemachten Schuhen der elterlichen Schuhmacherei. Fast jedes Wochende ging es mit Fahrrad und zu Fuß mit Skiern und der Wochenendverpflegung im Rucksack von Rosenheim aus in einigen Stunden auf die Alm. Sie hatten ein Grammophon, aber keine Kaffeemühle. Daher ging es zum Mahlen eine halbe Stunde vor dem Frühstück im Tiefschnee auf die Gipfelhütte. Nach dem Rückweg hatten die Damenbesuche meist den Rest des Frühstücks vorbereitet. Einige Abfahrten ums Eck hatten trotzdem an einem schönen Tag ihren Platz.

Version vom 21. April 2021, 21:32 Uhr

Thomas
Thomas

Wie die Zeit vergeht

Thomas

Thomas kam am am 20. Dezember 1890 in Lengmoos bei Wasserburg am Inn auf einem wunderschön gelegenen Bauernhof als sechstes von acht Kindern zur Welt. Er erzählte uns vom Kienspan, der zu besonderen Anlässen die abendliche Stube beleuchtete. In der Regel ging es aber bei Einbruch der Dunkelheit ins Bett. Elektrischen Strom gab es nicht. Im Alter von 5 Jahren starb sein Vater. Kurz darauf brannte der Bauernhof ab. Eine Versicherung gab es damals nicht. Therese, seine Mutter, konnte die noch lebenden sechs Kinder nicht ernähren und so wurden die Kleinen in die nachbarschaftlichen Bauernhöfe verteilt und Therese ging zum Brandbettel. Ignaz, das jüngste Geschwisterchen war 1894 geboren, damals also etwas über ein Jahr alt.

Die Wanderschaft führte Thomas nach seiner Schusterlehre in Vogtareuth zu Fuß in die Schweiz. Nach seinen Erzählungen war dies die glücklichste Zeit seines Lebens. Am meisten bewegten mich als Kind die Erzählungen von den Pferdefuhrwerken, auf denen er mitfahren durfte und denen die Landstraße allein gehörte. Die ersten Fahrräder auf den Straßen zogen Trauben neugieriger Kinder mit sich. Die ersten Autos erlebte Thomas erst als Erwachsener. Er kannte weder Film, Fernsehen oder gar Internet. Er kannte die Welt, die er um sich herum erlebte. Auf seinem Totenbett erzählte Thomas im Traum aus dem Schützengraben von Sedan. Dort wurde er schwer verwundet und kam nach Haus ins Lazarett. Mit einem köstlichen Schmunzeln kommentierte er immer seine eigenartige Handhaltung, die von dieser Verwundung rührte oder die er besser gesagt damit äußerst überzeugend in Verbindung bringen konnte. Die etwas skurrile Gestik ersparte ihm einen erneuten Fronteinsatz und ließ ihn den 1. Weltkrieg beim Dienst in der Munitionsfabrik überleben. Diese Handhaltung konnte er bis zu seinem Tod in unnachahmlicher Weise aus- und einschalten.

Wenn ich an meine Großeltern denke, habe ich zuallererst den Ledergeruch des Schuhgeschäfts in der Nase. Der Weg in unser Haus führte nicht durch die Eingangstüre ins Treppenhaus, sondern durch die Ladentüre ins Geschäft. Wenn Oma mit Kundschaft beschäftigt war, dann ging es in die Schusterwerkstatt, in der Opa die Lederschuhe noch selber machte, später dann nur noch reparierte. Die Stapel an Leder und Gummisohlen, die verschiedenen Schustereisen, über die man die Schuhe beim Nageln und Besohlen aufsetzen konnte, auf denen Opa das Leder rundklopfte, die unzähligen Werkzeuge, sie wirkten zu meiner Kindheit schon aus der Zeit gefallen. Im Laden verkaufte Oma die Schuhe aus der Fabrik. Alfred war ihr einziges Kind.

Alfred

Alfred wurde am 13. Dezember 1922 in Rosenheim geboren. Er lernte das Schusterhandwerk, besuchte aber auch die Oberrealschule. Vor den Abschluss schob sich mit 17 Jahren der Einsatz an der Ostfront. Der Splitter einer Granate bei Woronesch zerfetzte seinen Oberschenkel. Auf der Bahre im Feldlazarett schrie er verzweifelt um seinen Fuß, als er bemerkte, dass die Ärzte die Amputation seines Beins vorbereiteten. Man hatte in dieser Lage keine Zeit für Verhandlungen. Die Ärzte wendeten sich dem nächsten Verwundeten zu. Alfred überlebte durch die Kälte des russischen Winters begünstigt mit beiden Beinen. Kampfunfähig wurde er kurz vor der Schlacht um Stalingrad mit einer der letzten Maschinen in die Heimat gebracht.

Für den ersten Nachkriegswinter pachteten sein Freund und er die Zimmermannsalm auf dem Riesenplateau unterhalb der Hochries. Die Pacht bezahlte Alfred mit handgemachten Schuhen der elterlichen Schuhmacherei. Fast jedes Wochende ging es mit Fahrrad und zu Fuß mit Skiern und der Wochenendverpflegung im Rucksack von Rosenheim aus in einigen Stunden auf die Alm. Sie hatten ein Grammophon, aber keine Kaffeemühle. Daher ging es zum Mahlen eine halbe Stunde vor dem Frühstück im Tiefschnee auf die Gipfelhütte. Nach dem Rückweg hatten die Damenbesuche meist den Rest des Frühstücks vorbereitet. Einige Abfahrten ums Eck hatten trotzdem an einem schönen Tag ihren Platz.