Von Thomas und Benjamin

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Thomas
Lebensspanne Thomas
Alfred
MM Lebensspanne Benjamin

Wie die Zeit vergeht

Thomas

Thomas kam am 20. Dezember 1890 in Lengmoos bei Wasserburg am Inn auf einem wunderschön erhöht gelegenen Bauernhof als sechstes von acht Kindern zur Welt. Er erzählte uns vom Kienspan, der zu besonderen Anlässen die abendliche Stube beleuchtete. In der Regel ging es aber bei Einbruch der Dunkelheit ins Bett. Elektrischen Strom gab es nicht. Im Alter von 5 Jahren starb sein Vater. Kurz darauf brannte der Bauernhof ab. Auch Versicherungungen gab es damals nicht. Therese, seine Mutter, konnte die noch lebenden sechs Kinder nicht ernähren und so wurden die Kleinen in die nachbarschaftlichen Bauernhöfe verteilt und Therese ging zum Brandbettel. Ignaz, das jüngste Geschwisterchen war 1894 geboren, damals also etwas über ein Jahr alt.

Die Wanderschaft führte Thomas nach seiner Schusterlehre in Vogtareuth zu Fuß in die Schweiz. Nach seinen Erzählungen war dies die glücklichste Zeit seines Lebens. Am meisten bewegten mich als Kind die Erzählungen von den Pferdefuhrwerken, auf denen er mitfahren durfte und denen die Landstraße allein gehörte. Die ersten Fahrräder auf den Straßen zogen Trauben neugieriger Kinder mit sich. Die ersten Autos erlebte Thomas erst als Erwachsener. Er kannte weder Film, Fernsehen oder gar Internet. Er kannte die Welt, die er um sich herum erlebte. Auf seinem Totenbett erzählte Thomas im Traum aus dem Schützengraben von Sedan. Dort wurde er schwer verwundet und kam nach Haus ins Lazarett. Mit einem köstlichen Schmunzeln kommentierte er immer seine eigenartige Handhaltung, die von dieser Verwundung rührte oder die er besser gesagt damit äußerst überzeugend in Verbindung bringen konnte. Die etwas skurrile Gestik ersparte ihm einen erneuten Fronteinsatz und ließ ihn den 1. Weltkrieg beim Dienst in der Munitionsfabrik überleben. Diese Handhaltung konnte er bis zu seinem Tod in unnachahmlicher Weise aus- und einschalten.

Wenn ich an meine Großeltern denke, habe ich zuallererst den Ledergeruch des Schuhgeschäfts in der Nase. Der Weg in unser Haus führte nicht durch die Eingangstüre ins Treppenhaus, sondern durch die Ladentüre ins Geschäft. Wenn Oma mit Kundschaft beschäftigt war, dann ging es in die Schusterwerkstatt, in der Opa die Lederschuhe noch selber machte, später dann nur noch reparierte. Die Stapel an Leder und Gummisohlen, die verschiedenen Schustereisen, über die man die Schuhe beim Nageln und Besohlen aufsetzen konnte, auf denen Opa das Leder rundklopfte, die unzähligen Werkzeuge, sie wirkten zu meiner Kindheit schon aus der Zeit gefallen. Im Laden verkaufte Oma die Schuhe aus der Fabrik.

Als Thomas 11.680 Tage lebte, wurde er das erste und das letzte Mal Vater. Sein Sohn Alfred lebte mit ihm r Welt, an seinem 26.461. Lebenstag kam ich als sein dritter Enkel zur Welt. Thomas lebte 32.805 Tage auf dieser Erde.

  • Todestag: 14. Oktober 1980
  • Mit anderen Worten: Thomas hat 32.805 Tage gelebt
  • 18. Geburtstag Thomas: 20. Dezember 1908
  • Annahme: Eine persönliche intensive Begegnung wird unterstellt, wenn eine ältere Person zum Zeitpunkt der Volljährigkeit der Jüngeren nach heutigen Maßstäben noch gelebt hätte. Ein mutmaßlicher Großvater von Thomas, der an Tomas' 18. Geburtstag verstorben, wäre demnach am Donnerstag, den 25. Februar 1819, geboren (32.805 Tage zurückgerechnet). Er wäre am 25. Februar 1837 volljährig und wäre dessen Großvater volljährigerweise am Totenbett begegnet, der selbst am Mittwoch, den 3. Mai 1747, auf die Welt gekommen wäre.

Alfred

Alfred wurde am 13. Dezember 1922 in Rosenheim geboren. Er lernte das Schusterhandwerk, besuchte aber auch die Oberrealschule. Vor den Abschluss schob sich mit 17 Jahren der Einsatz an der Ostfront. Der Splitter einer Granate bei Woronesch zerfetzte seinen Oberschenkel. Auf der Bahre im Feldlazarett schrie er verzweifelt um seinen Fuß, als er bemerkte, dass die Ärzte die Amputation seines Beins vorbereiteten. Man hatte in dieser Lage keine Zeit für Verhandlungen. Die Ärzte wendeten sich dem nächsten Verwundeten zu. Alfred überlebte durch die Kälte des russischen Winters begünstigt mit beiden Beinen. Kampfunfähig wurde er kurz vor der Schlacht um Stalingrad mit einer der letzten Maschinen in die Heimat gebracht.

Für den ersten Nachkriegswinter pachteten sein Freund und er die Zimmermannsalm auf dem Riesenplateau unterhalb der Hochries. Die Pacht bezahlte Alfred mit handgemachten Schuhen der elterlichen Schuhmacherei. Fast jedes Wochende ging es mit Fahrrad und zu Fuß mit Skiern und der Wochenendverpflegung im Rucksack von Rosenheim aus in einigen Stunden auf die Alm. Sie hatten ein Grammophon, aber keine Kaffeemühle. Zum Mahlen ging es eine halbe Stunde vor dem Frühstück im Tiefschnee auf die Gipfelhütte. Nach dem Rückweg hatten die Damenbesuche meist den Rest des Frühstücks vorbereitet. Einige Abfahrten ums Eck hatten trotzdem an einem schönen Tag ihren Platz.

Die Kriegserlebnisse verfolgten ihn bis zu seinem Tod im Mai 2005. Alfred mochte nicht gerne von den unendlichen Stellungskriegen an der Ostfront erzählen. Meist nur wenn der Wein sein Übriges tat. Als Kundschafter war er oft mit seinem Pferd alleine unterwegs. Einmal versteckte ihn eine Russin vor der roten Armee, rettete damit sein Leben und riskierte das Ihre. Der russische Soldat, der ihn auf dem Balken in den Schützengräben überraschte und den er im Sprung von selbigen mit seinem Nahkampfdolch erstach, verfolgte ihn in seinen Alpträumen. Das Wolhynische Fieber suchte ihn ebenso regelmäßig immer wieder heim wie Franz Josef Strauß. Beide Frauen waren darüber in telefonischem Austasch. Das Eintreten für die Wiederbewaffnung empfand Alfred als Verrat und ging dagegen auf die Straße. Diesen Verrat empfand er derart tief, dass er sich von seinem politisch recht bürgerlich positionierten Freundeskreis nie mehr zu einer Aktivität in der CSU überreden ließ, wo er sonst ganz gut hingepasst hätte. Nach dem Krieg ging er mit der Zeit und tauschte die Schuhmacherei gegen Handelsvertretungen für Schuhfabriken. Damit war klar, dass er die Schusterei nicht übernehmen würde. Sechs Jahre nach Kriegsende kam das erste Kind zur Welt. Zur gleichen Zeit wurde das erste Automobil angeschafft. Der Wohlstand erlaubte es, im neu gebauten großen Stadthaus das Schuhgeschäft für Thomas und seine Frau aufzunehmen.

Wolfgang

Am 2. Juni 1963 kam ich selbst zur Welt.

Lukas und Benjamin

Am 18. September 1985 kommt Lukas in Kolbermoor zur Welt.

  • Geburt Benjamin: 22. Januar 2020
  • MM Lebensende 16. November 2109
  • MM Spanne meiner persönlichen Gesprächspartner: Über 219 Jahre (20. Dezember 1890 bis zum MM 16. November 2109)